Vom Graphic Designer zum UX-Designer – 7 Tipps für Berufsumsteiger
Wie viele andere UX-Designer komme auch ich ursprünglich aus der Printwelt. Ich bin sozusagen mit Büchern, Flyern und Magazinen gross geworden und wurde durch die Druckersprache geprägt.
Vor 2 Jahren entschied ich mich, in die Webwelt einzutauchen. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, manchmal frustrierend, doch es stellte sich heraus, dass die Grundregeln des Designs auch hier Gültigkeit haben. Jedoch kamen unzählige neue Faktoren hinzu, die mir aus der Printwelt fremd waren. Es eröffnete sich mir eine völlig neue Welt mit viel mehr Möglichkeiten und mehr Spielraum. Heute bin ich unglaublich froh, diesen Schritt gewagt zu haben und möchte mit folgenden 7 Tipps allen angehenden UX-Designern den Einstieg ein wenig erleichtern:
1. Unlimitierter Platz
Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Webprojekt: ich war völlig überfordert mit dem schier grenzenlosen Raum, der mir zur Verfügung stand. Meine Elemente wollten einfach nicht den richtigen Platz finden. Die passenden Schriftgrössen zu bestimmen bereitete mir Kopfzerbrechen.
Die Lösung? Das Grid. Mit dem Grid erhielten die Elemente von selbst ihre richtige Grösse und ihren Platz auf der Website. Ein weiteres Hilfsmittel wäre, mit der Mobile-First Praktik zu beginnen. Denn was auf dem kleinen Screen Platz hat, platziert sich fast automatisch auf dem Grossen.
2. Nichts ist in Stein gemeisselt
Im Print-Design hat jedes Elemente seinen fixen Platz und wird in Millimetern oder Punkten genauestens definiert. Im Web hingegen ist die kleinste Einheit das Pixel – ein Pixel kann je nach Bildschirm eine andere Grösse aufweisen. Schon deshalb ist es fast unmöglich, auf jedem Bildschirm ein einheitliches Aussehen zu garantieren.
Diese Tatsache war für mich zu Beginn unglaublich schwierig. Während meiner bisherigen Laufbahn wurde ich zu absoluter Perfektion gedrillt, und genau diese musste ich mir jetzt abgewöhnen. Denn im Web-Design ist Perfektion kaum möglich.
Das Design sieht auf jedem Bildschirm – ob Mobile, Tablet oder Desktop, ganz zu schweigen von den diversen Browsertypen – anders aus und kann nie 100% bestimmt werden. Vom Gedanken, ein perfektes Design für jeden Bildschirm zu gestalten, sollte man sich schnellst möglich verabschieden.
Sollte jemand auf die Idee kommen Farbprofilen im Web zu verwenden, kann er dies gleich wieder vergessen. Zu erwarten, dass jeder User einen kalibrierten Bildschirm besitzt, ist wie an Einhörner zu glauben – vollkommen unrealistisch. Die gewählte Farbe wird auf jedem Bildschirm einen anderen Farbstich haben und da hilft kein Farbprofil der Welt.
3. Zusammenarbeit
Eine gute Zusammenarbeit ist in jedem Beruf wichtig, selbstverständlich auch in der Print-Welt. Doch bei Webprojekten ist die Zusammenarbeit zwischen Designer und Entwickler umso wichtiger.
Im Print läuft das meist so: hat man einmal einen Flyer fertig gestaltet, übergibt man ihn den Druckern und fertig ist die Arbeit. Das Design steht und kann nicht mehr verändert werden.
Doch ein Webdesign kann nicht einfach «übergeben» werden. Es lebt, wird fortlaufend angepasst und in Form gebracht und ist somit viel dynamischer als ein Print-Design. Ständig werden Seiten überdacht und überarbeitet. Im Webdesign ist nichts in Stein gemeisselt, sondern wandelbar und optimierungsfähig.
4. User Experience und Usability ist alles
Die «Navigation» einer Broschüre ist simpel – einfach nach vorne oder nach hinten blättern. Das bleibt bei jedem Produkt gleich, unabhängig vom Inhalt. Daher ist es auch nicht notwendig, eine spezielle User Experience zu kreieren.
Websites hingegen funktionieren ganz anders und haben eine individuelle Navigation. Nichts ist schlimmer, als eine Website, auf der man sich nicht zurecht findet. Im Web gestalten wir nicht nur das Aussehen, sondern ebenso die Nutzerführung, die Usability und die User Experience. Ohne diese Elemente entsteht keine erfolgreiche Website – egal wie schön sie auch aussehen mag. Ich musste lernen, dass die Usability und die User Experience oft über dem Design stehen, auch wenn diese Erkenntnis dem Designer-Herzen manchmal schmerzt:).
5. Coden lernen
Hätte mir vor zwei Jahren jemand gesagt, ich könne einmal coden, dann hätte ich bestimmt laut gelacht und ungläubig verneint. Doch nun ist genau diese unwahrscheinliche Tatsache eingetreten. Und um ehrlich zu sein macht es das Coden sogar Spass, obwohl ich noch lange kein Profi bin.
Denn Coden ist gar nicht so schwierig. Die Programmiersprachen HTML und CSS sind keine Hexerei. Mit etwas Übung und Durchhaltevermögen lernt man diese sehr schnell. Das Ziel ist nicht, einmal selbst eine Website von Grund auf Coden zu können, sondern ein technisches Grundverständnis aufzubauen, um so auf Augenhöhe mit den Entwicklern arbeiten zu können. Das erleichtert die Zusammenarbeit enorm.
6. Medienvielfalt
Printprodukte leben ausschliesslich vom Text, den Bildern und den Grafiken. Das Web bietet einem eine viel grössere Vielfalt an Medien. Wie zum Beispiel: Videos, Ton, GIFs und Animationen. Mit diesen Hilfsmitteln sind Inhalte viel spannender und einfacher zu verstehen. So können User viel tiefer in die Materie eintauchen und geniessen eine bessere User Experience.
Eine grössere Auswahl bedeutet aber auch eine grössere Verantwortung. Es ist wichtig zu lernen, wo man welche Medien einsetzt und wo man besser darauf verzichtet. Wir alle kennen diese überladenen Websites, welche enorm unruhig wirken und keinen klaren Fokus haben. Auch hier zählt: weniger ist manchmal mehr.
7. Webfonts
Ein Grafik-Designer ist es sich gewohnt, eine Unmengen an Schriften zur Verfügung zu haben. Ob ein Printprodukt eine oder fünf Schriften einsetzt, spielt keine Rolle. Für eine Website hingegen ist jede zusätzliche Schrift Ballast, die sie schwerer und somit langsamer macht.
Auch ich musste auf die harte Tour lernen, dass nicht jede Schrift, die auf Papier schön aussieht, es auch im Web tut. Denn nicht alle Schriften sind web-optimiert und werden teils schlecht gerendert, wodurch die Schrift unschön dargestellt wird. Webtaugliche Schriften, die erst recht noch gratis sind und gut aussehen, findet man zum Beispiel auf https://fonts.google.com/.
Wie in jedem anderen Bereich gilt auch für UX-Designer: die Übung macht den Meister.